Wenn man einen Patient auf der Intensivstation so liegen sieht,
fragen sich viele Angehörige, „wird er mich noch kennen, wird er sich an
mich erinnern können“.
Ich kann hier natürlich nur von mir
ausgehen, aber ich weiß von Mitpatienten, die absolut nichts mehr
konnten, dass da Ansätze waren, die die Erinnerung an sein früheres
Leben, glauben machen!
Ärzte bei der Visite beschäftigen sich aus Zeitgründen nicht länger als 10 Minuten mit ihrem Patient.
Ich
hatte das Glück, sehen, sprechen und klar denken zu können. Ich konnte
auf Fragen der Ärzte eingehen, meine Selbstzweifel zerstreute Anuschka
meine Frau, die den ganzen Tag bei mir war. Wenn wir mit Patienten, die
das nicht konnten zusammen waren, haben wir uns bemüht, sie in unsere
Unterhaltung mit einzubeziehen. Ein lieber Patient brachte nur gagaga
über die Lippen, aber er war freundlich und lächelte immer!
Was
spricht man mit so einem Menschen, der zu seiner Frau aggressiv war,
weil sie ihm dauernd den Mund abwischen wollte! Ich konnte ihn immer
beruhigen und zu mir hatte er bald vertrauen. Als ich ihn fragte, warum
er seine Frau so behandelt, machte er eine wegwerfende Handbewegung und
er „gaggerte“ wild um sich. Ich bekam heraus, dass er sich bevormundet
fühlt und das abstellen wollte!
Er verstand mich, konnte sich aber
nicht ausdrücken und war zornig, weil ihn seine Frau nicht verstand und
ich schon. Wir beschlossen sprechen zu lernen und seine Therapeutin
band mich in seine Therapie mit ein, weil er zu mir Vertrauen hatte.
Nun, das war, als wollte ich meinem Hund das Sprechen beibringen. Seine
Therapeutin erklärte uns die verschiedenen Arten der Aphasie
und wollte herausfinden ob er die Broca Aphasie, oder eine globale
Aphasie hat. Wernicke konnte sie ausschließen, weil er nicht sprechen
konnte. Er hatte aber ein Sprachverständnis, das hat sie durch mein
Mitwirken herausgefunden. Die globale Aphasie konnte sie jetzt auch
ausschließen. Solche Patienten brauchen Vertrauen, anders kommt man
ihnen nicht näher. Sie bat mich mit ihm zu singen und Hilde, auch eine
Mitpatientin sang mit ihm. Gern hab ich die Frauen geküsst. Das kam
einwandfrei über seine Lippen!!! Jetzt hatten wir Ansätze um mehr von
ihm zu erfahren. Er war Marktfahrer am Naschmarkt in Wien und ein
richtiges Schlitzohr, aber ein liebes!
Sehen Sie, auch wenn man
Zweifel am Verstand haben könnte, muss man sich mit diesen Menschen
beschäftigen und wenn er seiner Frau wieder den Stock nachwerfen wollte,
sang er ihr was vor!
Das Gesangszentrum ist in der rechten
Hirnregion und Ärzte hoffen, dass durch Gesang mit Worten, die rechte
Hirnregion aktiviert werden kann, um das Sprechen zu lernen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen