Freitag, 3. August 2012

Erinnerungen nach dem Koma

Wenn man einen Patient auf der Intensivstation so liegen sieht, fragen sich viele Angehörige, „wird er mich noch kennen, wird er sich an mich erinnern können“.

Ich kann hier natürlich nur von mir ausgehen, aber ich weiß von Mitpatienten, die absolut nichts mehr konnten, dass da Ansätze waren, die die Erinnerung an sein früheres Leben, glauben machen!

Ärzte bei der Visite beschäftigen sich aus Zeitgründen nicht länger als 10 Minuten mit ihrem Patient.

Ich hatte das Glück, sehen, sprechen und klar denken zu können. Ich konnte auf Fragen der Ärzte eingehen, meine Selbstzweifel zerstreute Anuschka meine Frau, die den ganzen Tag bei mir war. Wenn wir mit Patienten, die das nicht konnten zusammen waren, haben wir uns bemüht, sie in unsere Unterhaltung mit einzubeziehen. Ein lieber Patient brachte nur gagaga über die Lippen, aber er war freundlich und lächelte immer!

Was spricht man mit so einem Menschen, der zu seiner Frau aggressiv war, weil sie ihm dauernd den Mund abwischen wollte! Ich konnte ihn immer beruhigen und zu mir hatte er bald vertrauen. Als ich ihn fragte, warum er seine Frau so behandelt, machte er eine wegwerfende Handbewegung und er „gaggerte“ wild um sich. Ich bekam heraus, dass er sich bevormundet fühlt und das abstellen wollte!

Er verstand mich, konnte sich aber nicht ausdrücken und war zornig, weil ihn seine Frau nicht verstand und ich schon. Wir beschlossen sprechen zu lernen und seine Therapeutin band mich in seine Therapie mit ein, weil er zu mir Vertrauen hatte. Nun, das war, als wollte ich meinem Hund das Sprechen beibringen. Seine Therapeutin erklärte uns die verschiedenen Arten der Aphasie und wollte herausfinden ob er die Broca Aphasie, oder eine globale Aphasie hat. Wernicke konnte sie ausschließen, weil er nicht sprechen konnte. Er hatte aber ein Sprachverständnis, das hat sie durch mein Mitwirken herausgefunden. Die globale Aphasie konnte sie jetzt auch ausschließen. Solche Patienten brauchen Vertrauen, anders kommt man ihnen nicht näher. Sie bat mich mit ihm zu singen und Hilde, auch eine Mitpatientin sang mit ihm. Gern hab ich die Frauen geküsst. Das kam einwandfrei über seine Lippen!!! Jetzt hatten wir Ansätze um mehr von ihm zu erfahren. Er war Marktfahrer am Naschmarkt in Wien und ein richtiges Schlitzohr, aber ein liebes!

Sehen Sie, auch wenn man Zweifel am Verstand haben könnte, muss man sich mit diesen Menschen beschäftigen und wenn er seiner Frau wieder den Stock nachwerfen wollte, sang er ihr was vor!
Das Gesangszentrum ist in der rechten Hirnregion und Ärzte hoffen, dass durch Gesang mit Worten, die rechte Hirnregion aktiviert werden kann, um das Sprechen zu lernen!

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